Der Säbelzahntiger im Katzenkörbchen
Der Säbelzahntiger im Katzenkörbchen ist schlecht gelaunt. Er hat nicht gut geschlafen.
Die Bagger und die anderen Baufahrzeuge, mit denen der sogenannte Homo sapiens
Terraforming betreibt, sind einfach zu laut. Der Säbelzahntiger
seufzt: "Ich bin doch ausgestorben, warum kann ich nicht
einfach meine Ruhe haben?" Eine rein rhetorische Frage,
denn natürlich kennt er die Antwort bereits – er kann
einfach nicht anders. Diesen Raubbau mit anzusehen,
diese Gier ...
"Das hat doch schon zu meiner Zeit nicht funktioniert",
denkt er, rafft sich auf und klettert aus seinem Körbchen,
seinem Nest, seiner Oase der Ruhe.
Er muss einfach etwas tun – aber was? Es knarrt und
knirscht an allen Ecken und Enden. Die Massentierhaltung
lässt zu viel Methan in die Atmosphäre entweichen, der
Mandelanbau für die sogenannten Mandeldrinks - als Alternative
zur Kuhmilch erdacht - trocknet die Erde aus und für den Anbau von Sojabohnen wird der
Regenwald abgeholzt.
Und wenn nicht gerade einer dieser nervigen Zweibeiner mit einer Motorsäge tätig wird,
brennt er, der Wald. Die Bienen werden von der Varroamilbe dezimiert und - wieder einmal -
diese Zweibeiner, pflastern alles mit Beton, Asphalt und Kieselsteinen zu. Die dekadentesten
unter Ihnen sogar mit Carrara-Marmor.
Wo das alles hinführt ist dem Säbelzahntiger klar. Er ist schließlich ausgestorben und kennt
sich aus. Aber er weiß auch, dass er nicht überall sein kann. Das findet er aber nicht schlimm,
denn er liest Zeitung. Das ist mal was Gutes, obwohl die auch von den Zweibeinern gemacht
wird. Aber darin hat er gelesen, dass eine neue Generation Homo sapiens heranwächst, die
ihr, im Vergleich zu seinem, riesiges Gehirn dazu nutzt, um gegen Massenkonsum, Profitgier
und andere Auswüchse des sogenannten Fortschritts vorzugehen.
Der Säbelzahntiger freut sich. "Für mich ist es zu spät", denkt er. "Aber so gerne wie ich meinen Ur-Ur-Ur-Enkel, den Tiger in die Arme schließen würde, möchte ich dies doch nicht
um jeden Preis tun.
Ich esse ja auch nicht mehr jeden Tag Fleisch, seit ich diese leckeren Tofu-Würstchen und die
Veggie-Steaks probiert habe, die ich einem Zweibeiner abgenommen habe. Früher hätte ich
gewartet, bis er seinen Lunch verspeist hat und ihn mir dann komplett mit veganer Füllung
einverleibt – aber jetzt nicht mehr. Ganz verzichte ich dann aber doch nicht auf Fleisch,
schließlich bin - oder genauer gesagt war - ich ein Raubtier. Ein sehr gefährliches obendrein,
da hat sich bei mir in letzter Zeit doch schon so einiges verändert.
So, genug philosophiert", denkt er, "ich nehme jetzt meinen Jutesack und gehe Plastikmüll in meiner Nachbarschaft einsammeln."
Als der Säbelzahntiger sich in dieser Nacht zum Schlafen zusammenrollt, träumt er von
bunten Müllbergen und gerösteten Koalas.
Morgen früh wird er wieder schlechte Laune haben.
Gespräch mit dem Säbelzahntiger
Guten Morgen Marie, sagt er, und fragt dann: warum hast Du mich erfunden?
Der hat ja Nerven, denke ich – ich hab´ ja noch nicht mal ´nen Kaffee getrunken und soll schon solche philosophischen Fragen beantworten ...
- Keine Ahnung, sag´ Du es mir. Schließlich bist Du das Produkt meines
Unterbewusstseins und meiner Phantasie, da solltest Du doch Bescheid wissen.
- Weißt Du denn über deine Ursprünge Bescheid?
- Na klar, der Urknall und so ...
- Das hast du gelesen, aber warst Du dabei?
- Nein, natürlich nicht!
- Wie kannst Du dann von mir erwarten, dass ich weiß,
warum ich existiere, wenn auch nur in einer Falte
oder Windung Deines Gehirns?
- Mmmh ... ich muss zugeben, Du hast Recht. Entschuldige.
- Schon gut, aber beantworte doch jetzt bitte meine Frage.
- Wie lautet die nochmal? Ich bin noch nicht wach, weißt Du.
- Warum hast Du mich erfunden?
- Ach ja, richtig ... eigentlich habe ich das gar nicht. Das Bild von Dir
hat, vor einigen Jahren schon, jemand anderer gezeichnet.
Es sollte meinen Charakter verdeutlichen. Meinen Hang zur Bequemlichkeit
– das Katzenkörbchen – und die Tatsache, dass ich schon mal die Zähne zeige,
wenn ich es für nötig halte – der Säbelzahntiger halt.
- Das ist ja interessant. Ich bin also so etwas wie Dein Alter Ego, stimmt´s?
- Ja, ich glaube, so könntest Du es ausdrücken.
- Warum bin ich dann putzmunter, während Du, obwohl Du den exzellenten Kaffee,
den Dein Mann Dir hingestellt hat – toller Service übrigens – fast
ausgetrunken hast, immer noch so morgenmuffelig bist?
- Das Wort gibt´s nicht.
- Du lenkst vom Thema ab, Marie ...
- Können wir bitte später darüber reden?
Der Säbelzahntiger geht einkaufen
Ich glaub´, ich steh´ im Wald, denkt der Säbelzahntiger. Ich will doch nur ein paar
Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs einkaufen und stehe vor leergeräumten Regalen.
Dies ist nun schon der dritte Supermarkt, in dem
es aussieht, als wären Heuschrecken darüber
hergefallen und hätten alles kahl gefressen.
Nur dass hier keine Heuschrecken am Werk
waren, sondern der Homo sapiens in Reinkultur.
Klopapier ist ja schon seit Wochen kaum noch
zu bekommen. Jetzt fehlt es auch noch an Mehl,
Hefe und Nudeln.
So was Doofes, jetzt kann ich mir nicht mal Spagetti
mit Tomatensauce zubereiten. Ganz zu schweigen,
vom Brot, welches ich backen wollte, weil die Kruste
so lecker ist.
Jetzt stehe ich hier mit meinem leeren
Einkaufswagen dumm in der Gegend rum,
weil die Zweibeiner Panik schieben und
Lebensmittel und Klopapier horten, als ob sie eine Belagerung erwarten.
Zum Glück bin ich hier und nicht in den USA ausgestorben. Trump traue ich sogar zu, auf
das Virus zu schießen. Schade eigentlich, dass man "blaue Bohnen" nicht essen kann.
Das wäre mal eine etwas andere Variante des "Chili con Tofu", wie Marie es immer zubereitet.
Da fällt mir ein, ich habe ihr ja versprochen, Räuchertofu und Dosentomaten mitzubringen,
wenn ich das finde. Schauen wir mal, noch bin ich ja noch nicht durch den ganzen Laden
gestiefelt. Irgendetwas Essbares muss doch noch übrig sein. Das Chili ist ja ein Eintopf, so
ähnlich wie "Soljanka", bloß aus einem anderen Land. Und Eintopf ist genau genommen ein
Reste-Essen. Da muss doch was zu machen sein... Ich schnappe mir jetzt einfach von allem,
was noch so in den Regalen steht ein bisschen. Das bringe ich dann zu Marie und sage ihr,
sie soll Corona-Eintopf machen. Kreativ ist sie ja, das muss ich ihr lassen. Ihr wird schon
etwas einfallen.
Ach, waren das noch Zeiten, als Corona nichts anderes war, als der Name einer Biermarke ...
Komm schon, wir machen Yoga
Der Säbelzahntiger hat entschieden: wir machen Yoga. Das kommt dabei heraus, wenn ich
ihn in einen Buchladen mitnehme, weil ich dort etwas herumstöbern will. Dann stöbert er
natürlich mit – neugierig wie er ist. Prompt hat er auch etwas entdeckt, was ihn interessiert
– ein Yoga-Buch.
- Guck mal Marie, das kaufen wir. Damit kannst Du
Dir die Grundlagen von Yoga aneignen. Wo Du doch
inzwischen immer öfter Rücken hast und so.
Am besten machst Du das morgens, bevor Du zur
Arbeit fährst.
- Du weißt doch, dass sich die Abfahrtszeiten vom Bus
geändert haben. Wenn ich später losgehe, muss ich so
lange auf meinen Anschluss warten.
- Dann stehst Du eben früher auf.
- Noch früher? Um vier Uhr, oder was? Bist Du verrückt?
- Na gut, dann eben nicht. Aber Du könntest doch Yoga
im Büro machen.
- Und was sag´ ich meinem Chef? Der hält mich doch
für komplett durchgedreht.
- Du sagst ihm, dies wäre eine Maßnahme Deines
persönlichen Gesundheitsmanagements, angeregt von
mir, Deinem Personal Trainer.
- Ein Personal Trainer, der obendrein unsichtbar ist.
Du bist ja wie "Mein Freund Harvey", nur schlimmer.
- Ach was, Du solltest das nicht so verbissen sehen. Probier´ s doch einfach mal.
- Klar, und dann werde ich für verrückt erklärt, für nicht mehr tragbar und mir droht die
Frühpensionierung.
- Das wäre doch toll! Dann hättest Du viel Zeit und könntest morgens und abends Yoga
machen!
- Super ... weil mein Chef denkt, dass ich einen an der Waffel habe, muss ich nicht mehr
arbeiten. Wenn das so einfach wäre ...
- Wieso? Ist es das denn nicht?
- Du bist eine echte Nervensäge! Warum habe ich mir Dich bloß ausgedacht?
- ... ähm ...
- Halt die Klappe!
Der Säbelzahntiger erzählt
Marie glaubt ja, ich wäre reine Fiktion, aber da irrt sie sich gewaltig.
Mich gibt´s schon seit es Marie gibt. Sie hat mir lediglich einen
Namen und ein Gesicht gegeben.
Wenn sie denkt, sie hätte eine Entscheidung getroffen - auch solche
banalen, wie zum Beispiel, was es heute zu essen geben, oder ob sie
eine Bluse oder doch lieber einen Pullover anziehen soll – ich habe
bereits vorher schon die Weichen gestellt. Das ist manchmal gar nicht
so einfach. Sie kann nämlich ganz schön stur sein, dann will sie mir
partout nicht zuhören. Etwas leichter habe ich es, wenn sie schläft,
wie gerade jetzt. Sie gibt nämlich nicht gerne die Zügel aus der Hand,
hat gerne die Kontrolle über alles, was sie umgibt.
Nun ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man. Ihr Vater war auch so ein Sturkopf,
der mit selbigem immer durch die Wand wollte.
Allerdings muss ich ihr zugestehen, dass sie – rein theoretisch natürlich – weiß, dass es
utopisch ist, immer alles im Griff haben zu wollen. Sie versucht es aber trotzdem immer
wieder, und zugeben wird sie es schon gar nicht. So schnell gibt sie nicht auf. Stehvermögen
hat sie.
Darum bin ich auch überzeugt, dass sie die Sache mit dem Yoga meistern wird. Dazu habe
ich sie – nicht ganz uneigennützig – überredet. Ich hoffe, dass ich es dann etwas leichter mit
ihr habe, beim Meditieren und so. Sie wirft mir vor, ich wäre schlimmer als "Mein Freund
Harvey", dieses riesige unsichtbare Karnickel aus dem gleichnamigen Film von Henry Koster mit James Stewart in der Hauptrolle aus dem Jahr 1950. So eine olle Kamelle! Das ist mal wieder typisch für Marie, dass ihr nichts
Moderneres einfällt! Und dann ist der Film noch nicht einmal in Farbe. Dafür hat sie eine
Vorliebe. Nicht nur, dass sie schwarz-weiße Portrait-Fotografien macht ... Nein, zu allem
Überfluss träumt sie manchmal sogar in schwarz-weiß. Dagegen kann nicht einmal ich etwas
ausrichten. Und das will schon was heißen.
Seltsamerweise hat sie aber im Gegensatz dazu aber auch eine Vorliebe für bunte Klamotten
in wirklich knalligen Farben und ungewöhnlichen Kombinationen. Und ihr Zuhause sieht –
zumindest von innen – aus, wie die "Villa Kunterbunt". Die Frau ist ein wandelnder Widerspruch
- und ich muss das alles zusammenhalten.
Dass ihr Mann es nun schon so lange mit ihr ausgehalten hat, überrascht mich immer wieder.
Offenbar liebt er Herausforderungen.
Ich habe da ja nicht die Wahl. Ich bin mit ihr verbunden, seit sie auf die Welt kam und werde
sie auch gemeinsam mit ihr verlassen. Bis es so weit ist, habe ich jedoch alle Hände, oder
vielmehr alle Pfoten voll zu tun. Wo sie doch auf ihre alten Tage angefangen hat, sich für´s
Kochen zu interessieren und dann auch noch dieser Computer-Kram und die Sache mit der
Website. Sie hält mich ganz schön auf Trab, weil sie einfach nicht stillsitzen kann ...
Oh, ich muss los, Marie wacht auf... Tschüss, bis demnächst ...
Im Ohrensessel auf Weltreise
Hallo Ihr Lieben, hier bin ich wieder, der Säbelzahntiger. Ich kann mich für einige Zeit
loseisen. Marie ist nämlich unterwegs - auf Weltreise. Ihr wundert Euch bestimmt, warum
sie mich nicht mitgenommen hat. Eigentlich hat sie das ja, sie beachtet mich im Augenblick
bloß nicht. Sie sitzt in ihrem Ohrensessel und liest. Das ist fast so, als wenn sie schläft. Sie ist
einfach mal weg. Manchmal sogar richtig weit weg. Sie schafft es tatsächlich, im Ohrensessel
auf Weltreise zu gehen. Erstaunlich nicht wahr?
Diese altmodische Sitzgelegenheit ist natürlich höchst bequem, aber so ganz nebenbei auch
noch Düsenjet, Raumschiff, Pferdefuhrwerk, Rennwagen und vieles mehr. Manchmal ist er
sogar eine Zeitmaschine. Dann reist Marie damit in die Berliner Vergangenheit und löst
Mordfälle.
Ach ja, das habe ich ja noch gar nicht erwähnt. Wenn Marie auf Weltreise ist, ist sie ziemlich
häufig in Sachen Mord unterwegs. Sie reist mit ihren Krimis nach Schweden, Griechenland,
Island, Portugal, in die USA, nach Großbritannien, manchmal ins viktorianische London, nach
China, Kuba, in die Türkei... Überall dort hin, wo Krimis geschrieben werden, die Lokalkolorit
beinhalten. Das ist ihr wichtig. Sie legt beim Aussuchen ihrer Lektüre die wunderliche
Angewohnheit an den Tag, erst einmal zu gucken, aus welchem Land die Autorin oder der
Autor stammt. Dann erst nimmt sie den Plot in Augenschein. Es müssen auch nicht
zwangsläufig Krimis sein. Marie verschlingt so ziemlich alles. Historien-Schinken, Märchen,
Fantasy, Science Fiction, Kochbücher, Biografien ... Das Wichtigste für Marie ist, dass die
Handlung nicht im Hier und Jetzt stattfindet. Je weiter Weg die Bücher sie führen, um so
besser.
Inzwischen besitzt sie mehrere hundert Exemplare. Antiquarische, die manchmal etwas
muffig riechen, bis hin zu ganz neuen, druckfrischen, die lecker nach frisch bedrucktem
Papier duften.
Sie leiht natürlich auch Bücher. Anders ginge es gar nicht.
Wenn Marie jedes Buch, welches sie liest, kaufen würde,
müsste sie bald umziehen, weil kein Platz mehr da ist.
Ausleihen macht ihr aber nicht so viel Spaß. Weil sie keine
Lust hast, dicke Wälzer aus der Bücherei nach Hause und
wieder zurück zu schleppen, nutzt sie die Onleihe und
liest die Leihgaben auf ihrem E-Book-Reader. Da fehlt ihr
aber die gemütliche Haptik eines klassischen Buches mit
seinen raschelnden Seiten.
Aus diesem Grund hat sie den Reader meistens in ihrer
Tasche und liest damit, wenn sie unterwegs ist. Aber auch
dann muss es manchmal einfach ein richtiges Buch sein.
Für diese Zwecke sind die Miniaturbücher perfekt geeignet.
Nicht größer als Maries Handfläche – also wirklich klein –
passen sie in jede Hosentasche.
Die perfekte Größe für mich. Ich verabschiede mich jetzt
auch mal ins Reich der Bücher und mache es mir in meinem
Ohrensessel bequem. Und Tschüss ...
Der Säbelzahntiger feiert Weihnachten
HoHoHo Ihr Lieben hier bin ich wieder, Euer Kumpel der Säbelzahntiger!
Lange habe ich überlegt, ob ich Weihnachten in diesem Jahr ausfallen lassen soll. Wenn wir
uns sowieso nicht oder nur in sehr eingeschränkten Rahmen treffen können ... Aber: ich habe
es mir anders überlegt!
Auch wenn ich nichts mit den christlichen Gebräuchen am Hut habe, finde ich es doch
gemütlich bei Kerzenlicht in einer hübsch geschmückten Wohnung zu sitzen und
Weihnachtsmusik zu hören. Am besten gefallen mir die jazzigen Varianten mit Saxophon
oder die großartige Ella mit ihrer Wahnsinnsstimme. Aber da habt Ihr ja alle Eure eigenen
Vorlieben.
Und Glühwein mache ich mir natürlich auch, oder Glühpunsch – es muss ja nicht immer
Alkohol sein. Der vernebelt mir bloß die Birne und ich produziere am laufenden Band
Rechtschreibfehler. Außerdem besteht das Risiko, dass ich
vergesse, dass ich ja ein Blech Weihnachtskekse im Ofen habe.
Ich bleibe also nüchtern, passe auf meine zukünftigen Kekse
auf und schaue meinen Kerzen beim Flackern zu, während
ich an Euch denke und alkoholfrei zuproste.
Sobald es dunkel wird, gehe ich raus in den Garten
und zünde die Kerzen in meinen Laternen an. Das sieht
auch gemütlich aus. Wenn es jetzt noch Schnee gäbe,
wäre es perfekt. Aber ich will nicht meckern, es ist ja
auch ohne Schnee ganz schön kalt.
Und weil in diesem Jahr sowieso alles anders ist
als sonst, werde ich nicht nur Euch digital auf die
Pelle rücken, sondern meinen Freunden und
Verwandten – ganz Retro – richtige Weihnachtskarten
aus Papier schicken. Das habe ich schon ewig nicht
mehr gemacht. Und wenn ich Glück habe, schreibt
mir sogar jemand zurück. Dann habe ich
Weihnachtskarten, die ich bei mir zu Hause aufstellen
kann. Und wenn ich sie anschaue, stelle ich mir vor,
dass die Schreiberin oder der Schreiber dort vor mir sitzt ...
Wir lassen uns doch von Corona nicht klein kriegen!
Ich wünsche Euch allen frohe Weihnachten, rutscht gut ins
neue Jahr und macht es Euch zu Hause richtig schön gemütlich.
Ihr wisst nicht wie? Na, zum Beispiel so:
Bis bald, Euer Säbelzahntiger
Auf Tigerjagd
Seit der Säbelzahntiger seinen Namen hat, fängt er interessanterweise an, ein Eigenleben zu
führen. Oder hat er das vorher schon getan und ich habe es nur nicht bemerkt, weil ich ihm
keine Beachtung geschenkt habe?
Heute bin ich jedenfalls früh aufgestanden, obwohl ich Urlaub habe. Ich wollte mich ans Fenster
setzen und Ideen zu einigen Geschichten notieren, ohne dass mein Mann mir neugierig über
die Schulter guckt.
Gedacht, getan und weil es so gut lief, dachte ich mir, ich könnte ja mal wieder eine fiktive
Geschichte über den Säbelzahntiger schreiben. Und weg ist er, der Kerl. Was denkt der sich
eigentlich? Der kann doch nicht einfach so abhauen. Schließlich ist er mein geistiges Eigentum.
Oder etwa nicht?
Irgendwann muss es ihm gelungen sein, sich zu verselbständigen, eigene Wege zu gehen.
Bestimmt kommt er wieder hervor wenn ich mich zum Schlafen hinlege. So weggetreten bin
ich nun doch nicht, dass ich nicht merke, was er so treibt, wenn er sich unbeobachtet fühlt.
Und natürlich habe ich auch gelesen, was er über mich geschrieben hat, der Frechling!
Schade, dass er nicht kurzsichtig ist, wie ich. Dann hätte ich eine Chance, mich unbemerkt an
ihn heran zu schleichen, wenn ich ganz leise und vorsichtig bin. Warum braucht der
Säbelzahntiger eigentlich keine Brille? Der sieht mich ja schon von Weitem kommen.
Unfair ist das!
Ich habe nur eine Möglichkeit: eine Tigerfalle muss her. Aber womit lockt man eine Fiktion,
eine Idee, ein widerspenstiges Unterbewusstsein? Mit einer fiktiven Ziege? Bestimmt nicht.
Mit einer anderen Idee? Mit einem Thema zu einer Geschichte mit dem Säbelzahntiger als
Hauptdarsteller?
Ja, ich denke, das könnte funktionieren. Drehbücher zu Filmen werden ja auch an die
Schauspieler versandt, die sich die Filmemacher als Verkörperung der agierenden Charaktere
wünschen, sich vorstellen und sich finanziell leisten können oder wollen.
Jetzt benötige ich also ein Drehbuch, das spannend, einigermaßen
anspruchsvoll, unterhaltsam, actionreich und außerdem noch
witzig ist. Und da ich nicht auf professionelle Drehbuchschreiber-
oder Schreiberinnen zurück greifen kann, werde ich das selbst
verfassen müssen.
Ich sehe den Säbelzahntiger schon vor mir, wie er - hinter
einer Gehirnwindung versteckt – kauert und sich ins Fäustchen
oder ins Pfötchen lacht, während er mich beobachtet bei
meinen Bemühungen, ihm eine Falle zu stellen.
Nun, wir werden sehen, wer von uns beiden am längeren
Hebel sitzt ...
Illustration unter Verwendung einer Grafik von: OpenClipart-Vectors/Pixabay
Ein Drehbuch für den Säbelzahntiger
Haha! Ich lach´ mich schlapp!
Marie ist tatsächlich überzeugt, sie
könnte mich überlisten. Für wie dumm
hält sie mich eigentlich?
Heute lag ein dicker Umschlag in
meinem Briefkasten. Darin befand sich
ein Drehbuch zu einem sogenannten
Buddy-Movie.
Das ist doch sowas von out!
Damit will Marie mich also ködern.
Grundsätzlich ist ihre Idee gar nicht so
dumm, aber die Umsetzung ...
Außerdem habe ich natürlich ihr
Vorhaben von Beginn an durchschaut.
Ich bin doch nicht blöd.
Andererseits ... vielleicht tue ich ihr den
Gefallen und gehe darauf ein. Nur zum
Schein natürlich.
Die Sache könnte unter Umständen
recht amüsant werden. Zuerst muss ich
mir aber noch Gedanken über die Höhe
meiner Gage machen. Sonst nimmt
Marie mir das nicht ab. Dass ich
angebissen habe, sozusagen.
Schon blöd, dass ich keinen Agenten
habe, der mich vertritt und selbst mit
ihr verhandeln muss.
Da besteht natürlich die Gefahr, dass
sie irgendeinen fiesen Trick anwendet
und dann hat sie mich an der Angel.
Genau dort, wo sie mich haben will.
Mmmh ...
So, jetzt habe ich das Drehbuch noch einmal komplett gelesen. So schlecht finde ich es gar nicht.
Und so ein bisschen Retro ist ja auch ganz charmant. Es würde mir schon Spaß machen, in der
Gegend rum zu ballern und mit markigen Sprüchen und viel Coolness die Welt zu retten.
Und auch wenn es nur im Film ist, das hat schon was ...
Dafür bin ich nicht zuständig
Mein Lieblingsneffe Webeşek fragte mich
vor einiger Zeit, ob ich auch über unser
Logo, den Murksifanten, schreiben werde.
Ich dachte erst einmal nicht groß nach und
sagte "vielleicht".
Bin ich froh, dass ich nicht "ja klar" gesagt
habe.
Ich habe nämlich festgestellt: Ich kann über
den Murksifanten nicht schreiben. Oder
anders gesagt: ich kann ihn in meinem
Kopf nicht zum Leben erwecken.
Er bleibt irgendwie starr und gesichtslos -
wie eine Schaufensterpuppe.
Wenn ich ihn mir auf unserer Website
anschaue, ist das etwas ganz anderes.
So muss er sein.
Allerdings schafft er nicht den Sprung von
der Website in meinen Kopf. Der Murksifant stellt sich quer und wird seltsam sperrig.
Nee, der Kerl ist und bleibt ein Geschöpf der Website, der Pixel und der ... Ja, was eigentlich? …
Er entzieht sich mir auf ganzer Linie.
Daher werde ich ihn meinem Neffen überlassen. Er hat ja ohnehin schon die Befürchtung
geäußert, dass er nichts mehr zu tun hätte, wenn ich mir irgendwann alle notwendigen
Kenntnisse angeeignet habe, um die Website selbst zu verwalten. Mal ganz davon abgesehen,
dass ich das gar nicht will – alles selber machen – er kann das einfach besser als ich.
Und überhaupt, wo bliebe denn da die Team-Arbeit?
Außerdem finde ich, dass klar abgegrenzte Zuständigkeiten keine schlechte Sache sind. So wird
verhindert, dass wir uns in die Quere kommen. Ein altes Sprichwort behauptet, dass zu viele
Köche den Brei verderben würden. Ich bin der Meinung, dass zu wenige aber auch nichts
Vernünftiges zustande bringen. Da brauche ich nicht viel Fantasie, um mir auszumalen, was ich
so alles anrichten und vermasseln könnte, wenn ich gezwungen wäre, mich um den ganzen
Murks alleine zu kümmern. Nee, nee, … wir sind ein Team, wir vier, und so soll es auch bleiben,
wenn es nach mir geht.
Gino – mein Mann - versorgt mich mit Kaffee, kocht ab und zu, wenn ich Murksgeschichten
schreibe, räumt regelmäßig die von mir verwüstete Küche auf und - ganz wichtig - er macht
die Fotos von meinen Murksereien.
Webeşek bastelt mit viel Spaß an der Website und am Murksifanten und gibt mir Nachhilfe in
Sachen Technik.
Und mein Schwager Hülk ... Was soll ich über ihn sagen? Hülk ist einfach Hülk und universell
einsetzbar.
Deshalb übe ich mich jetzt einmal im Delegieren von Aufgaben und überlasse das Feld meinen
Mitstreitern in Sachen Murks, insbesondere meinem Neffen, der einen Animationsfilm mit dem
Murksifanten als Hauptakteur plant.
Wenn es so weit ist, wird es hier heißen: Vorhang auf und … Film ab!
Nachbarn
Also, irgendwie verstehe ich das nicht, sagt der Säbelzahntiger. Was denn?, frage ich.
Der Säbelzahntiger guckt mich an, als wäre ich in seinen Augen mal wieder ein wenig langsam zwischen den Ohren.
Er ist genervt, das ist schon mal klar.
Na, dass Du nicht über den Murksifanten schreiben kannst. Das ist doch Quatsch!, wirft er mir an den Kopf.
Nun mach mal halblang, wehre ich mich. Das ist ja nun wirklich kein Grund, beleidigend zu werden.
Der Säbelzahntiger schweigt. Dann gibt er zu, vielleicht aber nur vielleicht ein wenig harsch gewesen zu sein.
Na gut, denke ich, dann will ich mal nicht so sein und frage ihn, was er denn damit meint.
Der Murksifant, antwortet er, ist mein Kumpel und außerdem mein Nachbar.
Aha, sage ich. Das wusste ich gar nicht.
Doch, doch, sagt der Säbelzahntiger, er wohnt mit mir zusammen in Deinem Kopf. Ich wohne
in Deiner rechten Gehirnhälfte und der Murksifant wohnt in der linken. Du musst Dir das wie
ein Doppelhaus vorstellen, klärt er mich auf.
Mmmh, klingt plausibel, erwidere ich.
Ist es ja auch, behauptet der Säbelzahntiger. Ich bin
zuständig für die Kreativität, der Murksifant für die Logik.
Ich sehe ihn ständig Deine kleinen grauen Zellen zählen.
Ich finde er vereinfacht und übertreibt gleichzeitig. Allerdings
ist er mit seinem Vortrag noch nicht fertig.
Der Säbelzahntiger beschwert sich, dass der Murksifant immer
so analytisch und extrem ordentlich ist. Und sein Vorgarten
würde aussehen, als ob er seinen Rasen mit der Nagelschere
schneidet. Dauernd sei er beschäftigt und es sei ganz schön
schwer für ihn, den Säbelzahntiger mit seinem Nachbarn mal
einen gemütlichen Plausch am Gartenzaun zu halten.
Manchmal würde aber die Post in den falschen Briefkasten
geworfen werden und dann habe der Murksifant keine andere Wahl. Dann müsse er mit dem Säbelzahntiger quatschen.
Das ist ja´n Ding, melde ich mich zu Wort. Ich wusste gar nicht, was in meinem Kopf so alles los ist.
Siehste, ruft der Säbelzahntiger. Er nutzt seine Chance, mir unter die Nase zu reiben, wie wenig ich über mich selbst weiß.
Das gibt mir wirklich zu denken. Vielleicht sollte ich demnächst mal beim Murksifanten vorbeigehen und schauen, ob er zu Hause ist.
Töröö!
Für alle, die mich noch nicht kennen, möchte ich mich erst einmal vorstellen. Ich bin der Murksifant. Ja, genau der, der alle zwei Wochen den Murks-Letter verschickt. Ich muss Euch etwas erzählen! Stellt Euch mal vor, wer mich gerade besucht hat.
Marie kam überraschend vorbei.
Bisher war sie nur mit dem Säbelzahntiger
beschäftigt und hat mich im wahrsten Sinne
des Wortes links liegen gelassen. Ich gebe es
ja nur ungern zu, aber ich bin meinem Kollegen
und Nachbarn, dem Säbelzahntiger, wirklich
dankbar, dass er sie auf dieses Versäumnis
angesprochen hat. Ich hätte das nie getan,
dafür bin ich zu zurückhaltend und möchte
mich nicht aufdrängen.
Trotzdem freue ich mich natürlich, dass ich
jetzt auch einmal zu Wort kommen darf.
Schließlich habe ich ganz schön zu tun, das
kreative Chaos, dass der Säbelzahntiger
anrichtet, zu ordnen.
Aber ich bekomme das hin.
Die Organisation des ursprünglichen Murksbuch, damals als es noch eine Küchenschublade gefüllt mit vollgekritzelten und zum Teil zerknüllten oder unleserlichen Zetteln war, habe ich ja schließlich auch gestemmt.
Zwar komme ich kaum hinterher, weil mein Nachbar schneller ist, Kreativitätsimpulse zu geben,
als ich es schaffe, alles in geordnete Bahnen zu lenken, aber ich will mich nicht beschweren. Das ist schließlich mein Job – und den nehme ich sehr ernst. Manchmal allerdings wünsche ich mir, der Säbelzahntiger würde es etwas langsamer angehen lassen. Es ist fast so, als würde er Ideen mit einem Schnellfeuergewehr abschießen. Aber wahrscheinlich geht es ihm wie mir.
Er ist, wie er ist und kann nicht anders.
Jedenfalls habe ich mich riesig über Maries Besuch gefreut.
Als wir uns voneinander verabschiedet haben, hat sie mir versprochen, in Zukunft öfter bei mir
vorbeizukommen. Ich bin zwar kein so unterhaltsamer Gesprächspartner wie mein Kollege,
der Säbelzahntiger, dafür aber ruhig und zuverlässig. Marie braucht schließlich auch mal eine Verschnaufpause, bevor sie sich wieder mit ihm ins Getümmel stürzt.
Mein Ziel ist es, ihr einen sicheren Hafen zu bieten, wo sie, erschöpft vom Manövrieren auf dem Ozean der Kreativität, auch einmal festen Boden unter den Füßen spüren kann. Töröö!
Das Gentlemen´s Agreement
Der Säbelzahntiger und ich sind zu einer Einigung gekommen.
Nicht, dass wir im Streit miteinander lagen, aber unsere
Kommunikation war doch manchmal etwas holperig -
diplomatisch ausgedrückt.
Nach ausführlichen Verhandlungen haben wir eine Vereinbarung
getroffen – ein sogenanntes Gentlemans Agreement. An diesem
Punkt wird es auch schon wieder kompliziert und ich bin völlig
überfordert. Ich bin weiblich. Der Säbelzahntiger ist männlich.
Geht das überhaupt? Ich habe ihn mir ausgedacht. Oder ist er
ein Teil meines Unterbewusstseins? Der sprichwörtliche kleine
Mann in meinem Ohr? Kann er überhaupt männlich sein? Müsste
er nicht weiblich sein? Oder geschlechtslos? Oder divers?
Ich bin ratlos, und es hilft mir überhaupt nicht weiter, dass der Säbelzahntiger zu bedenken
gibt, dass er ja eigentlich ausgestorben ist. Kann er dann überhaupt noch etwas sein?
Irgendwie passt das alles nicht zusammen.
Am einfachsten wäre es, wenn der Säbelzahntiger weiblich wäre. Dann hieße es nämlich
Gentlewomen´s Agreement. Aber einfach ist langweilig und realitätsfern. Das Leben ist nicht
einfach, und langweilig schon gar nicht - meins jedenfalls.
Ich könnte das vermeintliche Problem lösen, indem ich – politisch korrekt - von Gentleperson´s
Agreement spreche, aber der Säbelzahntiger stimmt mir zu: das klingt doof. Das gefällt uns
nicht, da sind wir uns einig.
Kann mal bitte jemand vorbeikommen und mich retten?! Ich bin hier gerade am Verzweifeln.
Der Säbelzahntiger springt in die Bresche. Ich rette Dich! ruft er.
Na, da bin ich ja mal gespannt, denke ich.
Und dann legt er los. Sagt mir, ich solle nicht so pingelig und kleinkariert sein. Leute, die so
drauf sind gäbe es schon genug. Seit wann würde ich außerdem soviel Wert auf political
correctness legen? Das kenne er ja gar nicht von mir. Ich wäre eine schreckliche Diplomatin
und immer so brutal gerade heraus. Und überhaupt, was spielt es denn für eine Rolle, ob unser
Vertrag das Gender-Thema berücksichtigt oder nicht. Der würde doch sowieso nur in meinem
Kopf existieren. Wichtig wäre nur meine persönliche Einstellung dazu. Was andere darüber
denken, kann uns doch wurscht sein.
Der redet ja wie ich, denke ich. Und nach einer Pause: natürlich tut er das - er wohnt ja in
meinem Kopf.
Der Säbelzahntiger freut sich, dass ich endlich begriffen habe. In meinem Kopf ist das
Geschlecht völlig egal, da geht es um die reine Essenz. Gedanken und Ideen kommen ohne die
Einteilung in männlich oder weiblich oder divers aus - die sind einfach.
Puuh, manchmal bist Du ganz schön anstrengend, seufzt der Säbelzahntiger.
Stimmt, antworte ich, deshalb bist Du auch so ein Querkopf.
Und schon fangen wir wieder an, uns gegenseitig zu beharken.
Käse
Marie behauptet, allergisch gegen die Löcher im Käse zu sein. Das stimmt natürlich nicht. Trotzdem ist es eine Tatsache, dass sie allergisch reagiert auf Käse mit Löchern, wie zum
Beispiel Emmentaler. Die Auswirkungen der Allergie sind ziemlich komisch. Sie kann dann nämlich nicht mehr richtig sprechen. Und wenn sie es doch tut, klingt es, als wäre sie besoffen.
Je größer die Löcher, desto heftiger fällt Maries Reaktion aus. Sie kann sich noch daran erinnern, als Kind eine Folge der „Sendung mit der Maus“ im Fernsehen geguckt zu haben, in der erklärt wurde, wie das so ist mit dem Käse. Die Wiederholung der Sendung hat sie verpasst. Leider habe ich mir aber auch nicht alles gemerkt.
Damals war ich noch nicht so gut in Sachen
Organisation, Datenerfassung und Speicherung
wie heute. Deshalb habe ich meinen berühmten
blauen Kollegen zum Kaffee eingeladen und mir
von ihm erklären lassen, wie die Löcher in den
Käse kommen.
Sie waren ursprünglich gar nicht beabsichtigt,
sind sozusagen ein Nebenprodukt.
Bevor es moderne Melktechniken mit keimfreien
Maschinen gab, wurde per Hand gemolken und
dabei sind immer wieder kleinere Heupartikel in
die Milch gelangt.
Und genau diese kleinen Verunreinigungen trugen maßgeblich dazu bei, dass der Käse Löcher bekam. Der Milch werden während des Herstellungsprozesses Lab und Milchsäurebakterien zugesetzt. Wenn die Gärung einsetzt, entstehen nicht nur Säuren, sondern auch Kohlendioxid. Aufgrund der Rindenbildung beim Käse kann das Gas aber nicht entweichen. Es lagert sich daher in den Kapillaren der Heupartikel ab und bildet Blasen.
Je höher die Temperatur ist, bei der der zukünftige Käse während der Gärung gelagert wird, desto größer werden die Löcher. Aber wir haben es ja heutzutage mit super-sauberer Milch zu tun. Da dürfte es doch gar keine Löcher geben. Damit es trotzdem welche gibt, wird in der zeitgemäßen Käserei zu einem Trick gegriffen, um die gewünschte Optik zu erzielen.
Es wird sogenanntes Heublumenpulver unter die Milch gemischt, damit das Kohlendioxid etwas hat, woran es sich andocken kann. Beim modernen Käse wird sozusagen geschummelt.
Warum? Keine Ahnung. Vielleicht haben sich die Käseliebhaber an den Anblick von löcherigem Emmentaler zum Beispiel gewöhnt und würden keinen kaufen, der keine Löcher hat - wer weiß. Andererseits gibt es aber auch eine Menge Käsesorten, die grundsätzlich ohne Löcher daherkommen.
Wenn Marie nicht irgendwann in Eigenregie versucht, mit moderner Milch Emmentaler herzustellen, wird sie nie erfahren, was der Auslöser für ihre Allergie ist. Denn wo kein Heu, da keine Blasen und keine Löcher. Oder nur ein einziges großes Loch? Ein hohler Käselaib? Kohlendioxid entsteht doch trotzdem und wenn es nicht entweichen kann?
Ich gebe zu, ich habe versagt, als es darum ging, Marie im Chemie-Unterricht in der Schule zum Aufpassen zu bewegen. Für sie ist Chemie nur das, was zuerst knallt und dann stinkt – Letzteres wie so manche Käsesorte.
Aber das ist eine andere Geschichte …
Der Säbelzahntiger macht Urlaub
In meinem Hinterkopf rumpelt und poltert es. Es hört sich an, als würde dort jemand Möbel rücken. Da mir das komisch
vorkommt, gehe ich nachsehen. Mich erwartet ein überraschender Anblick: Der Säbelzahntiger stöbert in meinem Oberstübchen, das wie ein vollgestellter und ziemlich unordentlicher Dachboden aussieht, umher, als würde er etwas Konkretes suchen, es aber nicht finden. Er sieht verärgert aus.
Wir brauchen dringend Urlaub, wir sind reif für die Insel, ruft er mir entgegen, und ich finde einfach nichts Brauchbares!
Nur eine Cartoon-Zeichnung von einem Sandhaufen mit einer Palme und einem Schiffbrüchigen darauf. So geht das nicht!, grummelt er.
Ich bin verwirrt. Wozu brauchen wir denn eine Insel?, frage ich ihn. Natürlich für unseren Urlaub, kommt die prompte Antwort. Achso, erwidere ich, für unseren Urlaub. Da suchst Du aber an der falschen Stelle. Der Murksifant hat doch so schön aufgeräumt und Du wirfst alles durcheinander, beschwere ich mich. Schau doch mal bei „Strand“ nach.
Der Säbelzahntiger folgt meiner Aufforderung, ist aber mit dem, was er findet nicht zufrieden. Das Bild wäre kitschig, ist seine Meinung.
Dem kann ich es aber auch nie recht machen, denke ich.
Das bekommt er natürlich mit und fordert mich auf,
mich umgehend an den PC zu setzten und im
Internet nach einem Bild zu suchen, mit dem
man etwas anfangen kann.
Also setze ich mich geflissentlich in Bewegung.
Glücklicherweise werde ich ziemlich schnell
fündig und kann dem Säbelzahntiger ein Foto
präsentieren, dass seiner Vorstellung entspricht.
Ich finde es zwar auch kitschig, aber das ist egal.
Die Hauptsache ist, der Säbelzahntiger ist zufrieden
und sein Ärger ist vergessen.
Er hat mir sogar versprochen, beim Aufräumen zu helfen.
Schließlich ist es seine Schuld, dass mein Erinnerungsarchiv
so durcheinandergeraten ist. Wenn das erledigt ist, werden wir Urlaub machen: auf einer Insel, unter Palmen, in einer Hängematte. Preiswert, erholsam und klimaneutral.
Illustration unter Verwendung eines Fotos von: thismapper/Pixabay
Die Urlaubsvertretung
Guten Tag, Ihr Lieben! Heute vertrete ich den Säbelzahntiger, meinen Freund und Nachbarn. Der Säbelzahntiger befindet sich nämlich gerade mit Marie im Urlaub, und deshalb habe ich
jetzt richtig viel zu tun.
Wenn ich nicht gerade in der Küche stehe
oder den Murks-Letter verschicke, arbeite ich
in meinem kleinen Garten oder sitze auf einer
Bank vor meiner Haustür und genieße meinen
Feierabend. Wenn der Säbelzahntiger mich in
Ruhe lässt, heißt das. Er wohnt nämlich
nebenan und hat ständig irgendetwas,
worüber er mit mir „quatschen“ will, wie er
es ausdrückt. Ich hatte mich schon gefreut,
als ich hörte, dass er mit Marie Urlaub auf
einer kleinen Insel machen wird. Leider hatte
ich nicht bedacht, dass ich dann als Vertretung
einspringen muss, wenn die beiden nicht da
sind. Eine Sommerpause gibt es auf der
Murks-Website nicht.
Daher habe ich jetzt die Aufgabe übernommen, Euch etwas über Marie zu erzählen, was gar nicht so einfach ist. Schließlich bin ich nicht so kreativ wie mein Nachbar. Ich bin eher der bodenständige Typ. Aber gut, ich habe mich „breitschlagen“ lassen O-Ton Säbelzahntiger) und werde mein Bestes geben.
Wenn Marie in der Küche werkelt oder Geschichten schreibt, weiß sie genau genommen gar nicht so recht, was sie da eigentlich macht. Sie hat weder das Kochen gelernt noch einen Kurs „Kreatives Schreiben“ absolviert. Sie legt einfach los, ohne großartig darüber nachzudenken.
Das ist der Einfluss des Säbelzahntigers.
Marie war schon als Kind fasziniert vom geschriebenen Wort. Als sie in die Schule kam und einen Füllfederhalter erhielt, konnte sie es gar nicht abwarten, schreiben zu lernen und ihn
zu benutzen. Irgendwann schenkte ihr jemand ein Kinderlexikon und als ihr das nicht mehr reichte, wünschte sie sich zum Geburtstag ein „erwachsenes“ Nachschlagewerk.
Ja, Marie ist tatsächlich ohne Internet und Computer aufgewachsen. Das gab es damals noch nicht. Stattdessen bekam sie einmal zu Weihnachten eine Reiseschreibmaschine geschenkt; ihr größter Wunsch, der große Freude bei Ihr auslöste, als er in Erfüllung ging. Ab diesem Zeitpunkt ging sie ihren Eltern mit dem Getippe auf den Tasten auf die Nerven.
Marie wurde älter, beendete die Schule, begann eine Ausbildung und das Schreiben geriet in Vergessenheit; bis mein Nachbar es wieder ausgrub. Inzwischen ist sie nicht mehr aufzuhalten. Sie befürchtet zwar immer noch, ihr könnten irgendwann die Ideen ausgehen, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Sie ist eine Geschichtenerzählerin. Möglicherweise ist das eine logische Folge ihres Bücherkonsums. Aber das ist reine Spekulation, so etwas überlasse ich dem Säbelzahntiger.
Tatsache ist, Marie schreibt, auch wenn sie Probleme mit der Kommasetzung hat und konsultiert regelmäßig „Duden online“, weil sie keine Fehler machen will - das ist mein Einfluss.
Ich verabschiede mich jetzt. Macht´s gut und genießt den Sommer. In zwei Wochen sind Marie und der Säbelzahntiger wieder da.
Der Murksifant bekommt Besuch
Es klingelt. Der Murksifant wundert sich.
Er erwartet keinen Besuch. Wer das wohl
sein mag, überlegt er, als er zur Haustür
geht. Als er sie öffnet, traut er seinen Augen
nicht. Da steht doch tatsächlich sein großes
Vorbild, der Starkoch, dem er stümperhaft
nacheifert.
Der Murksifant muss sich selbst mit seinem
Rüssel kneifen. Aber ja, vor ihm steht
tatsächlich der berühmte Hotte Quark.
Der Murksifant vergisst seine guten
Manieren und starrt seinen Gast wie
hypnotisiert an.
Guten Tag, sagt Hotte Quark mit seiner sonoren Stimme. Willst Du mich nicht hereinbitten?
Der Murksifant wird rot und kann nur noch stottern.
Das ist ´ne Überraschung, was?, poltert Hotte Quark und schmunzelt. Mit mir hast Du nicht gerechnet, das seh´ ich Dir an.
Langsam findet der Murksifant seine Stimme wieder. Nein, tatsächlich, mit einem so berühmten Gast habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich dachte, mein Nachbar, der Säbelzahntiger macht mal wieder einen Klingelstreich, entschuldigt sich der Murksifant. Darf ich Dir etwas anbieten?, fragt er. Eine Erfrischung? Eine Tasse Kaffee vielleicht?
Gegen einen Espresso hätte ich nichts einzuwenden, antwortet Hotte Quark und der Murksifant beeilt sich, diesem Wunsch nachzukommen, während der Starkoch im Wohnzimmer auf dem Sofa Platz nimmt.
Gemütlich hast Du´s hier, sagt er, als der Murksifant mit zwei Espressotassen und einem Teller mit Keksen erscheint.
Du fragst Dich bestimmt, was ich hier mache, fährt er fort und als der Murksifant nickt, erzählt ihm Hotte Quark, dass er durch Zufall auf die Murks-Website gestoßen ist. Dass ihm die spielerische und unverkrampfte Herangehensweise ans Thema Kochen und die authentischen Fotos gefallen, und dass er neugierig wurde.
Ich bin doch nur ein unbedarfter Laie, ein Amateur, sagt der Murksifant. Insgeheim freut er sich aber riesig über das Lob.
Ach was, darauf käme es doch gar nicht an, ob Amateur oder Profi - wichtig sei die Leidenschaft mit der man sich einer Sache widme, entgegnet Hotte Quark. Und Leidenschaft
sei beim Murksifanten in großem Ausmaß vorhanden.
Als sich der berühmte Gast verabschiedet und der Murksifant die Tür hinter ihm schließt, schrillt erneut die Türglocke.
Er öffnet die Tür, sieht jedoch nur noch seinen Gast auf dem Motorrad davon fahren. Es klingelt hartnäckig weiter. Seltsam ist das, denkt der Murksifant. Dann wird ihm klar, dass es sein Wecker ist, der klingelt, damit er aufsteht und zur Arbeit geht.
Ach, denkt der Murksifant, das war aber ein schöner Traum.
Illustration unter Verwendung einer Grafik von: Clker-Free-Vector-Images/Pixabay
Das ist doch alles Murks
Es tut mir wirklich leid, das sagen zu müssen, aber
manchmal könnte Marie etwas gründlicher sein.
Ich will jedoch nicht vorschnell urteilen, schließlich
ist das zum größten Teil meine Schuld. Ich habe
mich bisher zu sehr im Hintergrund gehalten, aber
damit ist jetzt Schluss. Ihr werdet künftig mehr von
mir hören und meinen Einfluss auf Marie zu
spüren bekommen.
Natürlich habe ich nicht die Absicht, meinen
Kollegen den Säbelzahntiger ins Abseits zu
drängen. Auf keinen Fall!
Aber ich werde künftig besser aufpassen, damit
nicht wieder solche Fehler passieren wie die Sache
mit dem Feta und dem Hirtenkäse.
Das ist schließlich nicht dasselbe.
Mit Käse kenne ich mich ja jetzt, nachdem mein blauer Kollege mich beraten hat, viel besser
aus als vorher. Daher an dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an ihn.
Mir ist natürlich klar, dass Marie mit technischen Details nichts anfangen kann. Das liegt nicht
daran, dass sie sie nicht verstehen würde, sie sind ihr einfach egal. Sie ist mehr am Ergebnis
interessiert als daran, in allen Einzelheiten auszuloten, wie sie es erreicht. Sie ist schrecklich
ungeduldig. Das merke ich immer dann, wenn ihr Mann ihr etwas zu den Brennweiten und
Lichtstärken seiner Kameraobjektive erzählt, während er ihre Murksereien fotografiert. Sie hört
dann meistens gar nicht richtig zu.
Dass sie auch ohne detaillierte Kenntnisse auf dem Bereich der Fotografie brauchbare
Ergebnisse erzielt, ist dem Einfluss des Säbelzahntigers zuzuschreiben. Manchmal gibt ihr Mann
nämlich auf, weil er ein Foto nicht so hinbekommt, wie er es sich vorstellt. Dann greift Marie
nach der Kamera und nach dem Motto „Geht nicht, gibt´s nicht!“ lichtet sie ihre neueste
Kreation in einer Art und Weise ab, die auch ihrem Mann gefällt.
Allerdings verblüfft sie ihn auch manchmal mit Zahlenkolonnen, Skizzen und Formeln, die sie
auf Schmierpapier kritzelt, um auszurechnen, wie die optimale Vorgehensweise aussieht, um
eine Strickjacke nach der Vorlage einer Freundin zu fertigen. Diese hatte nämlich den Wunsch
an Marie herangetragen, sie möge die Jacke eines bekannten Modelabels in einer anderen
Farbe und mit einigen Änderungen nachstricken.
Junge, Junge, da hatte ich ordentlich zu tun.
Ohne den Säbelzahntiger hätte ich das aber auch nicht hinbekommen. Gemeinsam haben wir
uns auf etwas verständigt, was wir „mathematische Intuition“ nennen. Das sieht auf den ersten
Blick höchst mathematisch kompliziert und gleichzeitig etwas wirr aus, funktioniert aber
hervorragend.
Jetzt muss es mir nur noch gelingen, meinen Kollegen auch bezüglich anderer Themen zur
Zusammenarbeit zu bewegen. Denn eins ist ja wohl klar: Gemeinsam schaffen wir, was wir
alleine nicht hinbekommen!
Illustration unter Verwendung einer Grafik von: OpenClipart-Vectors/Pixabay